Frühere menschliche Gesellschaften hinterließen weitreichende Spuren für Umwelt und Erdsystem
Während die Debatte über den Beginn des Anthropozäns andauert, liegen seine sozialen, geophysikalischen und ökologischen Wurzeln zweifellos tief in der Vergangenheit. Ein interdisziplinäres Team aus Forschenden aus den Fachgebieten der Archäologie, Geschichte, Paläoökologie und Erdsystemwissenschaft zeigt nun auf, wie menschliche Aktivitäten Teile des Erdsystems vor dem Industriezeitalter erheblich verändert haben, was Auswirkungen auf die Steuerung heutiger und künftiger Beziehungen zum Planeten hat.
Letztes Jahr wurde von der Anthropozän-Arbeitsgruppe der Internationalen Kommission für Stratigraphie empfohlen, die Epoche des Anthropozäns ab 1950 offiziell als geologische Erdepoche zu bezeichnen. Letztlich lehnte die Kommission die Empfehlung ab und betonte die Notwendigkeit, die Dynamik des Systems Mensch-Erde in einer Vielzahl von räumlichen und zeitlichen Maßstäben zu untersuchen.
In einer neuen Studie, die in der Zeitschrift Annual Review of Environment and Resources veröffentlicht wurde, zeigt ein interdisziplinäres Team unter der Leitung von Forschenden des Max-Planck-Instituts für Geoanthropologie (MPI-GEA) auf, auf welche Weise menschliche Aktivitäten Teile des Erdsystems vor dem Industriezeitalter verändert haben. Sie argumentieren, dass die Archäologie, historische Ökologie, Paläoökologie und das Wissen indigener Völker die Wechselwirkungen zwischen Mensch und Umwelt und die Rückkopplungen des Erdsystems in der Vergangenheit aufdecken können und damit praktische Erkenntnisse für die heutige Gesellschaft liefern.
Bis vor kurzem ging man davon aus, dass die Auswirkungen vergangener Interaktionen zwischen Mensch und Umwelt meist lokal begrenzt waren, doch Forschende argumentieren, dass der Einsatz verschiedener methodischer Ansätze der Schlüssel zu einem besseren Verständnis ihres Ausmaßes und ihrer Auswirkungen ist. So können beispielsweise mit Hilfe der Zooarchäologie und der Archäobotanik die sich verändernden Wechselwirkungen zwischen Mensch und biologischer Vielfalt erforscht werden, während mit Hilfe von Sedimentkernaufzeichnungen die Auswirkungen verschiedener Landnutzungspraktiken auf Bodennährstoffe und Erosion untersucht werden können. Mit neuen Landnutzungsmodellen kann auch untersucht werden, ob z. B. die Abholzung von Wäldern für die Landwirtschaft zu einer Verringerung der Niederschläge führt, was sich auf lokaler und regionaler Ebene auf klimatische Rückkopplungen auswirkt.
Während die Forschung der neuen Studie die langfristigen Beziehungen unserer Spezies mit verschiedenen Teilen des Erdsystems aufzeigt, betonen die Autorinnen und Autoren die Unterbrechung der lokalen ökologischen Interaktionen in den letzten 500 Jahren.
„Es ist klar, dass der europäische Kolonialismus einige der sichtbarsten Folgen in den verschiedenen regionalen Ökosystemen nach sich zog“, sagt Hauptautor Patrick Roberts, Leiter der unabhängigen Forschungsgruppe isoTROPIC am MPI-GEA. „Er hinterließ wirtschaftliche und soziale Ungleichheiten sowie dramatische Landschafts- und Umweltveränderungen, die noch immer die Ausprägung des Anthropozäns und seine Herausforderungen im 21. Jahrhundert prägen.“
Zusammenfassend argumentieren die Forschenden, dass das Verständnis der langfristigen Beziehungen zwischen dem Mensch und dem Erdsystem von entscheidender Bedeutung für die Entwicklung gerechterer und nachhaltigerer Beziehungen zum Planeten sein wird. Durch die Vermittlung von Erkenntnissen aus der historischen Ökologie und Archäologie an politische Entscheidungsträger hoffen sie, die Lücke zwischen lokaler Landnutzung und globalen wirtschaftlichen Anforderungen zu schließen und eine gerechtere Politik, Wirtschaft und Umweltpolitik zu unterstützen.