Abteilung für Koevolution von Landnutzung und Urbanisierung
Überblick und Forschungsansatz
Das Max-Planck-Institut für Geoanthropologie wurde gegründet, um die Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft der Beziehung unserer Spezies mit dem Erdsystem zu untersuchen. Die Landnutzung ist der wohl greifbarste Ausdruck dieser Beziehung. Tatsächlich wird die globale Intensivierung der Landnutzung als eine Schlüsselkomponente der Großen Beschleunigung der Interaktion zwischen Mensch und Erdsystem und des Lebens im Anthropozän angesehen. Die Urbanisierung ist eine besonders bedeutende Form der Landnutzungsänderung, da bis zum Jahr 2025 zwei Drittel der menschlichen Bevölkerung in Städten leben werden. Sie wirkt sich auf das Erdsystem aus, und Städte tragen wesentlich zum Klimawandel bei, verändern die Biodiversität und beeinflussen die Landnutzung durch Bauvorhaben, Verwaltungspolitik und den Verbrauch von Nahrungsmitteln und Materialien. Die Koevolution von Landnutzung und Urbanisierung wird zweifellos entscheidend für unsere Zukunft auf diesem Planeten sein und steht im Mittelpunkt der neuen Abteilung für Koevolution von Landnutzung und Urbanisierung (DLU).
Städte sind dennoch kein neues Phänomen. Sie haben eine reiche, globale Geschichte die etwa 5.500 Jahre zurückreicht. Dennoch wird die urbane Vergangenheit in der aktuellen Stadtforschung und -politik als Resultat restriktiver Definitionen, die sich auf die „Urbanität“ einzelner Standorte, die regionale Isolation und lückenhafte Aufzeichnungen konzentrieren, oft vernachlässigt. Die DLU basiert auf dem Gedanken, dass Städte nicht in einem Vakuum existieren. Sie sind mit anderen Städten, Siedlungen, der lokalen, regionalen und globalen Geschichte und durch die Landnutzung auf verschiedenen räumlichen Skalen mit dem Erdsystem verbunden. Die Abteilung wird hinter das Konzept der Stadt hinausgehen und sich zwei Hauptthemen widmen: i) der sozioökonomischen, kulturellen und ökologischen Veränderlichkeit, die städtische Formen, Entwicklungsverläufe und Netzwerke über Raum und Zeit hinweg charakterisieren und ii) den koevolutionären Verbindungen zwischen dieser städtischen Dynamik, ihrer Landnutzung und den verschiedenen Teilen des Erdsystems.
Die Abteilung kombiniert die einzigartige Fähigkeit der Archäologie, langfristige materielle Folgen urbaner Prozesse mit der Geschichte, Paläoökologie und der Stadtforschung zu dokumentieren, um neue quantitative und qualitative Datensätze zu erstellen und vergangene urbane Strukturen, Landnutzungstendenzen und kritisch deren Alternativen aufzuzeigen. Durch hochmoderne Feldforschung, Archivrecherchen, Laboranalysen sowie der Datenerfassung, verknüpft die Abteilung Beobachtungen aus der tiefen Vergangenheit mit aktuellen Planungen und Zukunftsprognosen und erforscht die Urbanisierung als nicht-linearen, dynamischen Prozess, um Fragen wie diese zu beantworten:
- Gibt es Gemeinsamkeiten, Unterschiede oder Nachhaltigkeitsprädikatoren für urbane Phänomene und die damit verbundenen Landnutzungen und Interaktionen des Erdsystems über Raum und Zeit hinweg?
- Haben bedeutende politische, wirtschaftliche und klimatische Veränderungen zu Kipppunkten oder Pfadabhängigkeiten in der Entwicklung von Städten und der Landnutzung geführt?
- Angesichts der Tatsache, dass Urbanismus nur eine mögliche Form der sozialen Organisation ist, stellt sich die Frage, was uns die nicht-urbane Vergangenheit über andere mögliche Entwicklungsverläufe der Landnutzung und Besiedlung im Anthropozän aufzeigen kann?