Der Duft der Ewigkeit wird in einer neuen Studie über altägyptische Mumifizierungsbalsame entschlüsselt
In einem innovativen Versuch, eine sensorische Brücke in die Vergangenheit zu schlagen, hat ein Forschungsteam unter der Leitung von Barbara Huber vom Max-Planck-Institut für Geoanthropologie (MPI-GEA) einen der Duftstoffe nachgebildet, die bei der Mumifizierung einer wichtigen ägyptischen Frau vor mehr als 3.500 Jahren verwendet wurden.
Das als „Scent of Eternity” (Duft der Ewigkeit) bezeichnete historische Aroma wird demnächst im Moesgaard Museum in Dänemark in einer Ausstellung präsentiert, die den Gästen ein einzigartiges sensorisches Erlebnis bietet: sie können aus erster Hand einen Geruch aus der Antike kennenlernen – und einen Eindruck vom altägyptischen Mumifizierungsprozess gewinnen.
Die Forschung des Teams konzentriert sich auf die Mumifizierungssubstanzen, die für die Einbalsamierung der adligen Dame Senetnay in der 18. Dynastie, etwa 1450 v.Chr., verwendet wurden. Die Forschenden nutzten hochentwickelte Analysetechniken - darunter Gaschromatographie-Massenspektrometrie, Hochtemperatur-Gaschromatographie-Massenspektrometrie sowie Flüssigchromatographie-Tandem-Massenspektronomie - um die Substanzen zu rekonstruieren, die dazu beitrugen, Senetney für die Ewigkeit zu konservieren und zu parfümieren.
„Wir analysierten Balsamrückstände, die in Gesichtsurnen aus der Mumifizierung von Senetnay gefunden wurden, die vor über einem Jahrhundert von Howard Carter aus dem Grab KV42 im Tal der Könige ausgegraben wurden“, sagt Huber. Aktuell befinden sich die Gefäße im Museum August Kestner in Hannover. Das Forschungsteam fand heraus, dass die Balsame eine Mischung aus Bienenwachs, Pflanzenöl, Fetten, Erdharz, Harz aus Kieferngewächsen (höchstwahrscheinlich Lärchenharz), eine Balsamsubstanz und Dammar- oder Pistazienbaumharz enthielten.
„Diese komplexen und vielfältigen Inhaltsstoffe, die für diese frühe Zeitperiode einzigartig sind, bieten ein neues Verständnis für die differenzierten Mumifizierungspraktiken der damaligen Zeit“, sagt Christian E. Loeben, Ägyptologe und Kurator am Museum August Kestner.
„Mit unseren Methoden konnten wir auch entscheidende Erkenntnisse über die Inhaltsstoffe des Balsams gewinnen, zu denen es in den zeitgenössischen altägyptischen Textquellen nur begrenzte Informationen gibt“, bemerkt Huber.
Die Arbeit hebt auch die Handelsbeziehungen der Ägypter im 2. Jahrtausend v. Chr. hervor. „Die Inhaltsstoffe des Balsams machen deutlich, dass die alten Ägypter schon zu einem sehr frühen Zeitpunkt Materialien auch außerhalb ihres Gebiets bezogen haben”, sagt Prof. Nicole Boivin, leitende Wissenschaftlerin des Projekts. „Die Anzahl der importierten Inhaltsstoffe für ihren Balsam unterstreicht auch die Bedeutung Senetnays als wichtiges Mitglied des inneren Kreises des Pharaos.“
Zu den Importwaren zählten Lärchenharz, welches wahrscheinlich aus dem Mittelmeerraum stammte, sowie vermutlich Dammarharz, das nur von Bäumen in Südostasien gewonnen wird. Sollte sich die Vermutung über das Dammarharz bestätigen, wie z.B. in kürzlich identifizierten Balsamen aus Saqqara aus dem 1. Jahrtausend v.Chr., würde dies bedeuten, dass die Ägypter bereits ein Jahrtausend früher als bisher angenommen, Zugang zu einer Handelsroute für Harz nach Südostasien hatten.
In enger Zusammenarbeit mit der französischen Parfümeurin Carole Calvez und der sensorischen Museologin Sofia Collette Ehrich, hat das Team den Duft auf Grundlage seiner analytischen Untersuchungsergebnisse sorgfältig neu erschaffen.
„Der ‚Scent of Eternity‘ steht für mehr als nur das Aroma des Mumifizierungsprozesses“, ergänzt Huber. „Er verkörpert die reiche kulturelle, historische und spirituelle Bedeutung der altägyptischen Begräbnispraktiken.“
Mit der Herstellung dieses Geruchs für die Ausstellung im Museum hofft das Team, den Besucher:innen eine eindringliche, multisensorische Erfahrung zu bieten, die es ihnen ermöglicht, sich mit der Vergangenheit auf eine einzigartige olfaktorische Weise zu verbinden und gleichzeitig die Mystik der altägyptischen Mumifizierung in die heutige Zeit zu übertragen. Ihr bahnbrechender Ansatz überbrückt nicht nur eine tiefe zeitliche Kluft, sondern ermöglicht auch visuell beeinträchtigten Individuen eine umfassendere Teilhabe an der Ausstellung über die Vergangenheit Ägyptens und macht neue Forschungsergebnisse zur antiken Mumifizierung einem breiteren Publikum zugänglich.